Dukkha ist einer der drei Daseinsmerkmale (ti-lakkhana), neben Vergänglichkeit (anicca) und Ich-Losigkeit (anatta), die der Buddha durchdringend in der Nacht seines Erwachens erkannte.
Der angehende Buddha (Buddha von bodhi heisst der Erwachte) sah in den ersten vier Stunden, als er unter dem Bodhi-Baum in tiefer Meditation sass, die unendlich vielen eigenen früheren Leben, zuerst seine letzten Leben, dann bis zu seinen letzten 100 000 Leben, bis er nur noch die Weltenzeitalter zählte und die unzähligen Leben darin nur die Inhalte bildeten. Er erkannte aber ein Muster, er sah ein sinnloses auf und ab Wandern, er wurde geboren, alterte und starb, immer wieder. Er stieg durch Tugendhaftigkeit in höher Daseinsbereiche. In diesem himmlischen Wohl aber, vergas er die Ursache dafür wieder und sank wieder in die Grobstofflichkeit. Und dies alles war ein ewiges Schauspiel. Er sah wie er Äonen (Weltzeitalter) lang in absolut himmlischen, glücksvollen Daseinsbereichen weilte, bis die Früchte aufgebraucht wurden, bzw. Bis die Zustände ausgewirkt wurden. Denn eines, das sah er auch ganz deutlich, dass alles der Vergänglichkeit (anicca) unterliegt, alles. So sank er wieder in tiefer Gefilden, in welchem das unangenehme überhand hat, wo Alter, Krankheit, Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsinn und Verzweiflung erfahren werden. Er sah diesen ewigen Daseinskreislauf (Samsara) und formulierte daraus die erste edle Wahrheit: Die Wahrheit vom Leiden (dukkhanam).
Aber was heisst denn nun dukkha genau? es wird durchwegs mit Leiden im Deutschen und suffering im Englischen übersetzt. Was ist aber die genaue Wortbedeutung? Ist alles wirklich Leiden? Denn er sah ja nicht nur Leiden, er sah auch viel glückvolles (sukha). Dem möchte ich jetzt auf den Grund gehen.
Etymologie
Dukkha ist Pali und bedeutet schwer zu (er-)tragen.¹ Es wird aber oft einfach als Leiden übersetzt, die genau Übersetzung des Wortes dukkha ist aber nicht eindeutig, es kann und wird daher auch mit, Unzulänglichkeit, Elend, Unerfülltheit oder Unbefriedigtheit u.v.m. übersetzt, was alles nicht falsch ist. Der Kontext, in welchem das Wort dukkha benutzt wird spielt eine Rolle und so kann daher der Begriff verschieden verwendet werden.
Pali war zu Zeiten des Buddha eine Amtssprache, ob sie tatsächlich auch gesprochen wurde, ist nicht ganz klar.² Die Theravada-Schriften sind aber in Pali überliefert. Da das Wort dukkha sehr wahrscheinlich vom Sanskrit, der Alt-indischen Sprache, abstammt, möchte ich den Bezug aus dem Sanskrit anschauen. Sanskrit gehört zu Indo-Germanischen Sprachgruppe, die Entstehung ist nicht ganz bekannt. Man nimmt an, dass es zu einer Durchmischung mit der indoiranischen Sprache kam, die die Aryer, ein altes Volk, das von Babylonien Richtung Nordwest Indien wanderten, mitbrachten.
Der Begriff dukkha wird mit diesem Volk in Verbindung gebracht. In ihrem Sprachgebrauch wurde es benutzt, um zu beschreiben, dass ein Rad an einem Karren, nicht richtig sitzt.³ Im übertragenen Sinne, das Rad trägt die Achse bzw. den Karren nicht richtig oder besser noch, es ist nicht im idealen Zustand. Da das «kha» (von dukkha) Loch (später im Sanskrit Himmel/Raum oder Äther) bedeutet, eben möglicherweise das Loch, in dem die Radachse sitzt.
Sukha, die Umkehrfom von dukkha, bedeutet daher eine gute Radachse haben.
Ist wirklich alles Leiden?
Nach diesem kleinen Exkurs, der nicht unbedingt viel Licht ins Dunkle gebracht hat, ist es nötig dukkha im Zusammenhang, wie es nun eben gebraucht wird, zu durchleuchten. Der Buddha nannte drei Arten von dukkha:
- dukkha- im gewöhnlichen Sinn als Leiden (dukkha-dukkha)
- dukkha- verursacht durch Veränderungen (viparinama-dukkha)
- dukkha- verbunden mit bedingten Entstehen (sankhara-dukkha) ⁴
1. Dukkha kann durchaus als Leiden übersetzt werden, wenn es Bezug nimmt zu dukkha-dukkha, also zu Krankheit, Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsinn und Verzweiflung, vereint mit Unliebem und getrennt sein vom Liebem. Nach dieser Definition her kann die Übersetzung von dukkha-dukkha Leiden verkörpern.
Das leuchtet nun ein, aber der Buddha ging weiter in seinen Erläuterungen, er nannte die Unbeständigkeit auch dukkha. Wie meinte er das?
2. Alles Gutem was einem widerfährt, liegt die Vergänglichkeit inne. Es ist also nicht vollständig befriedigend, nicht wunschlos glücklich machend. Alles vergeht wieder und man steht wieder ohne das glücklich Machende da, muss sich also wieder auf die Suche nach neuem machen und wird dann unweigerlich wieder auf unangenehmes stossen. Es liegt also etwas Unbefriedigendes inne. (viparinama-dukkha)
3. Wie schon erwähnt, untersteht alles was wir in dieser Welt erleben, der Vergänglichkeit und der bedingten Entstehung (paticca-samupadda). Alles was entsteht ist der Bedingung der gegenseitigen abhängigen Wechselwirkung unterlegen. Es ist somit aus vergänglichem geformt und kann daher nichts unvergängliches, vollkommen glücklich Machendes beinhalten, denn es muss wieder vergehen. Begrenzung durch Bedingungen passt hier. (Sankhara-dukkha)
Nicht alles ist Leiden
Es spielt also eine Rolle, in welchem Kontext dukkha gebraucht wird, so kann man es als Leiden, unbefriedigend oder auch als Begrenzung, was meiner Meinung nach sehr gut passt verwenden. Alles ist doch Begrenzung, wenn man es genau betrachtet. Unser aller Ziel ist doch, dass wir raus wollen aus dieser Begrenzung, raus in die Unbegrenztheit (Nibbana).
Man kann aber sehen, und dies stritt der Buddha auch nie ab, dass es sehr viel schönes, angenehmes, glückvolles in den Welten gibt, dass aber allem schon dukkha-Begrenzung innewohnt.
Wunschlos Glücklich
Nur etwas, dass nicht vergeht hält der Definition stand, vollkommen zu sein. Natürlich sind wir alle auf der Suche nach dem absoluten, vollkommenen Glück, nichts Gegenteiligem. Dies ist aber nicht zu finden in dem Daseinskreislauf der Lebewesen (Samsara). Begrenztes Glück schon, allerdings wird es wieder vergehen. Der Buddha erkannte das und fand das Ungewordene, das Ungewirkte, das Unvergängliche und nannte es Nibbana (Skrt. Nirwana). Weil es keinem Werden unterliegt, ist es nicht bedingt und auch nicht vergänglich. Möglicherweise ist das unser «Urzustand».
Fussnoten
¹ Wikipedia
² Wikipedia
³ Wikipedia
⁴ Samyutta-Nikaya 38.14
Bildernachweis
Titelbild: Von pixabay / CC0 Public Domain Lizenz
Man auf Karre: Von pixabay / CC0 Public Domain Lizenz