Der Buddha lehrte bekanntlich, dass es keine Seele (in Pali Atta ; in Sanskrit Atman) gibt. Er liess es aber nicht dabei und erläuterte natürlich wie er zu dieser Erkenntnis kam und aus was wir denn nun genau bestehen.
Als Siddartha all seinen Reichtum als Thronfolger hinter sich liess und in die Wildnis aufbrach, war er auf der Suche nach Permanentem, nach Unvergänglichem. Er wollt frei sein von der Geburt, welches unmittelbar Alter, Krankheit und Tod mit sich zieht. Er sah wie sich alles stetig wandelt, wie jeder schöne Moment, jedes schöne Beisammensein, jedes schöne Gefühl und jeder noch so schöne, erhabene Zustand einmal wieder vergeht, oft zu schnell. Er kannte das vorzügliche Leben, all die Sinnesfreuden und die gewähnte Sicherheiten als Prinzen im Hofe seines Vaters, dennoch machte dieser Überfluss, dieser Reichtum in nicht vollkommen glücklich. So ging er auf die Suche.
Zu seiner Zeit war der Brahmanismus die vorherrschende Glaubensreligion im damaligen Indien. Sie lehrte, dass in jedem von uns das Ebenbild Brahman existiert. Laut den Veden, ist Brahman der unveränderliche, unendliche, immanente und transzendente Urgrund, und in jedem Menschen wurde seine unvergängliche Essenz abgelegt, diese Essenz (Atman) war mit dem Brahman verbunden. In sich selber zu suchen und zu erforschen hat man den Atman, nur so wird man zur ewigen Glückseligkeit gelangen (Sat-Cit-Ananda). Auf diese Suche begab sich auch der Buddha, denn er wollte etwas ewiges, etwas vollkommen glücklich machendes finden.
Ihm wurde gelehrt, das Begehren den Atman verdecke, und dass man über das Auflösen des Begehrens zum Atman vorstösst. So praktizierte der Buddha mehrere Jahre lange strenge asketische Übungen und geisselte so seinen Körper um dieses Begehren, dass an den Körper gebunden war, zu überwinden. Doch er fand den Atman in sich und im aussen nicht. So machte er sich, ohne Anweisung, selber auf die Suche nach dem Unvergänglichen.
Durch Beruhigung seines Herzens und einem unverblendeten Blick auf die Wirklichkeit (von Wirken) fand er heraus, aus was er und somit die Welt besteht. Er nannte sie Khandahs– substanziellen Aggregate, ein bisschen romantischer ausgedrückt, Daseinsgruppen, aus welchem alles besteht.
Die fünf Daseinsgruppen
Rupa -khandha
Er sah, dass da Form (Materie) war.
Ziemlich nachvollzierbar, doch er ging soweit, dass er alles Formhafte in vier Grundstoffen teilen konnte. Nämlich in Festes, Flüssiges, Wärme und Bewegung, auch Grundelemente Erde, Wasser, Feuer und Wind genannt. Aus diesen Elementen bestand bzw. besteht die ganze komplexe formhafte Welt.
Vedanā-khandha
Er sah, dass da Gefühl war.
Zwei Arten von Gefühlen erkannte er, körperliche und geistige Gefühle, die er in drei Qualitäten unterschied, in angenehme, in unangenehme und in neutrale Gefühle.
Saññā-khandha
Er sah, dass da Wahrnehmung war.
Unterscheidungsvermögen in Objekt und Subjekt, welches mit Hilfe der sechs Sinne (Denken zählt auch zu den Sinnen) in uns ein Wahrnehmungsbewusstsein entstehen lässt.
Sankhāra-khandha
Er sah, dass da Geistesformation (Gestaltungen) war.
Reaktion und Interpretation auf Wahrnehmung. Das ganze Spektrum von bewussten und unbewussten Willenstätigkeiten wie, Begehren, Triebe, Tendenzen, Sehnsüchte, Absichten, Prägungen etc. Diese Daseinsgruppe ist der Gestallter (daher auch Gestaltungen genannt) des jetzigen Momentes und so auch unserer Zukunft (Wird hier denn nicht Karma gemacht?). Der Buddha unterschied drei Arten von Gestaltungen:
- Körpergestaltung (Kaya-sankhara)
- Sprachgestaltung (Vaca-sankhara)
- Geistesgestaltung (Citta-sankhara)
Viññāna-khandha
Er sah, dass da Bewusstsein war.
Was ist nun Bewusstsein eigentlich? Bewusstsein ist bedingt durch die soeben besprochenen Daseinsgebilde. Bewusstsein entsteht durch einen Kontakt der Wahrnehmung auf ein Objekt. Mit diesem Kontakt geht eine Empfindung (vedana) einher, welches sich wiederum auf die Geistesformation auswirkt.
Bewusstsein ist nicht als etwas Transzendentes zu verstehen, Bewusstsein ist leer, substanzlos, es ist einem Spiegel vergleichbar leer. Bewusstsein wiederspiegelt nur das Wahrgenommene, genau wie der Spiegel es tut. Mit Hilfe des Bewusstseins ist reflektieren, wahrnehmen und wissen möglich. Ob das Bewusstsein nun wirklich die Äusserlichkeit wiederspiegelt oder ein Abbild innerer Prozesse ist, sei mal dahin gestellt.
Das fehlen eines beständigen Wesenskern (Anatta)
Dies alles entdeckte und legte der Buddha dar, nirgendwo in diesen Daseinsgruppen fand er ein, dem Seelenbegriff ähnliches Konstrukt, einen absoluten Wesenskern, noch eine gleichbleibende Struktur. Er sah ein schnelles Fliessen, eine Abhängigkeit aller Aggregate und so lehrte er die Wahrheit vom Nicht-Selbst. Nichts konnte aus sich selbst bestehen, alles war miteinander in Kontakt und bedingte einander, so blieb nichts gleich, alles veränderte sich stetig und rasant.
Das ist und war der grosse Unterschied zum damaligen Brahmanismus und ist es heute zu den anderen Weltreligionen. Es beruht auf keiner Annahme oder auf einen Glauben, sondern wurde vom Buddha durch wahrheitsgetreues Sehen (vipassana) erkannt. Er folgte einem Pfad in sein Inneres, und negierte nichts ab, er untersuchte alles, was es zu untersuchen gibt.
Er fand folgendes, Form (Körperlichkeit), Gefühle, Wahrnehmung, Gestaltungen und Bewusstsein, nichts mehr fand er sonst.
Man kann diese fünf Daseinsgruppen (khandhas) „Ich“ nennen, sollte aber berücksichtigen, dass „Ich“ nur ein völlig leerer Begriff ist und von jedem anders wahrgenommen wird.
Der Buddha leugnete nicht, dass ein Ich existiert, er proklamierte aber, dass dieses Ich keine unabhängige Daseinsberechtigung hat, das heisst, dass es bedingt ist und sich durch diese Bedingungen ständig verändert. So kann es kein immanentes, transzendentes, unveränderliches, unsterbliches Ich geben. Das „Ich“ ist nur ein Konzept, ein Sammelbegriff. Diesen Begriff kann mit Bedacht benutzt werden, aber sollte nicht glorifiziert werden. Denn dieser „Ich“ Gedanke, auch Ego genannt, ist der Herd für vieles Leid in unserer Welt.
So empfahl der Buddha:
“Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, Geistesregungen und Bewusstsein sollte man, der Wirklichkeit gemäß, in rechter Weisheit also betrachten: dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Ich.”
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